Wir fühlten uns richtig gut damit. Das war genau das, was wir zu diesem Zeitpunkt brauchten. Wie genial ist das bitte? Warum gibt’s das denn nicht schon viel länger? Wir konnten unser Glück kaum fassen. Care by Volvo. Eine Art flexibles Auto-Abo. Du möchtest heute einen roten SUV? Bitte. In drei Monaten vielleicht einen schwarzen Kombi? Gerne. Du hast keine Lust dich um Winterräder, Servicetermine und Versicherung zu kümmern? Here you go, Babe. Wir holen den Wagen bei dir ab, lassen dir einen mindestens genauso guten Wagen als Ersatz da und bringen dir deinen Wagen vollgetankt und ausgesaugt zurück. Was für ein Traum.
Shut up and take my moneeey!
Was ist Branding? Hier kommt meine sehr persönliche und praxis-nahe Definition.
Marken als Pain-Point-Versteher
Monatelang haben mein Freund Yasin und ich abgewogen, welches Auto unser nächstes sein sollte, denn unser Leasing lief bald aus. Tick-tock-tick-tock. Wieder Leasing? Wieder ein paar Jahre verpflichten? So hohe Raten, wo wir uns doch gerade beide selbstständig machten? Heikel.
Mit dem Ersparten einen Gebrauchten kaufen? Harte Nummer, wenn dein aktuelles Auto ein Neuwagen ist. Vielleicht muss der öfter in die Werkstatt? Die Gebrauchtwagen-Option schied schnell aus. Nichts entsprach unserem Anspruch an Komfort, Ästhetik oder Zustand.
Branding bedeutet, die Zielgruppe zu verstehen
Dann erzählte mir mein bester Freund Martin von Volvos neuem Abo-Modell. Mieten statt kaufen. All inclusive. Keine versteckten Kosten, keine Langzeitverpflichtung. Heute bestellen, in 4 Wochen losfahren (die meisten Neuwagenbestellungen dauern Mooonate). Wir fühlten uns, als würden unsere Gebete erhört und machten uns auf der youtube-University schlau über das Abomodell und natürlich auch über die Fahrzeuge. Hach, welcher darfs denn sein? Der Blick auf die Preisliste verriet uns: der Kleinste, bitte. #hust
Akute Pain Points vs. tiefe Bedürfnisse
Egal, ist schließlich der kleinste Volvo-SUV immer noch ein sehr schnittiger Wagen! Wir hatten unseren XC40 schon durchkonfiguriert und sahen uns damit durch unseren geliebten Harz cruisen. Nur, dass der SUV eigentlich gar nicht soooo ein Cruiser ist, wie uns einige youtube-Videos verrieten. Im Vergleich zu unseren vorigen Flitzer … ach, lassen wir das. Das Angebot war zu perfekt und holte uns in unserer Situation einfach bestens ab. Und wir können ja auch langsam mal erwachsen werden. Volvo ist ein gutes Fabrikat.
Aus Gründen, die ich mir heute nur als universelle Eingebung erklären kann, stolperten wir über ein Video des Golf GTI Performance. Ein seeeehr gutes Video. Ohne Sprecher. Ohne diese abgef*ckte youtube-Musik. Nur die pure und rohe Darstellung des Wagens in Action. In genialer Landschaft. In dynamischer Kurvenlage. Mit ultra-fettem Sound. Also diesem tiefen sonorigen Schnurren, das nur ab und zu durch massives Blubbern übertönt wird. Die Kamera hat die dynamische Linie des Autos in allen Details perfekt eingefangen und die roten Highlights perfekt inszeniert. Ein Wahnsinnsauto. Ein eigentliches Normalo-Auto mit etwas bissigerem Aussehen, etwas derberem Sound und vor allem dem Understatement von 370 Nm.
Brands zeigen dir, wer du bist oder sein möchtest
Keiner von uns hat sich getraut, es auszusprechen, aber uns beiden war klar, dass wir keinen Volvo fahren werden. Das geht einfach nicht. Wir sind nicht Volvo. Das, was uns von Volvo begeistert hat, war die gebotene Unabhängigkeit, die Flexibilität. Und ja, wir mochten, dass es ein Schwede war. Und wir liebten Thors Hammer (die Lichtsignatur) und die kleine Flagge an der Motorhaube, die ist sooo süß. Aber jedes Mal, als wir unterwegs waren, sahen wir plötzlich Volvos. Mit Familien. Mit älteren Damen und Herren. Auch mal mit einer Frau beim Wocheneinkauf. Je mehr wir davon alleine in unserer Kleinstadt sahen, desto weniger sahen wir uns in diesem Wagen.
Das ist Branding. Branding ist das Gefühl, dass dir eine Marke vermittelt. Das, was du über eine Marke denkst. Das, was sie dir gibt. Das, was sie mit dir und aus dir macht.
Brands sind Bedürfnisbefriediger
Volvo hat uns grandios abgeholt und an unser temporäres Sicherheitsbedürfnis appelliert. Die totale Flexibilität hat uns begeistert. Falls wir die Raten morgen nicht mehr zahlen könnten, dann würden wir das Auto einfach wieder abgeben. Es wird sich um alles gekümmert, wir brauchen keine Sorgen zu haben. Alles unter Kontrolle. Das ist der Markenkern von Volvo. Sicherheit, Stabilität, Kontrolle. Volvo for Life lautet der sehr passende Markenclaim.
Bis VW uns in Sekunden deutlich gemacht hat, was unser übergeordneter Drive im Leben ist: Unabhängigkeit, Individualität, Spaß, Abenteuer. Nach dem ersten Video hatte unser Herz bereits entschieden. Der Kopf brauchte noch mehrere Tage, um alles rational durchzuwälzen und uns die Möglichkeit zu geben, super plausible Gründe zu finden, warum der GTI die bessere Wahl sei. (Eigentlich waren alle gelogen, aber das haben wir keinem erzählt.) Kurzer Exkurs: wir müssen hier unterscheiden zwischen VW und GTI. GTI ist das Sportkonzept von VW und hat eine ureigene Markensprache. Eine der Markenaussagen zum GTI ist Oft kopiert, nie erreicht. und auch Ein Orignal hat keine Vorbilder, es ist eins. Ohhhh ja, Baby. Hit me one more time.
Da sind wir nun, mit einem Vierjahres-Leasingvertrag und einer Leasingrate, die uns bei Volvo mindestens in die Mittelklasse gehoben hätte. Sicherheit und Kontrolle? Nope. Ein Auto, das uns und unseren Stil zu 100% repräsentiert? OH HELL YEAH. Live fast. Rollin, rollin, rollin. Man könnte sagen, wir haben ein bißchen den Verstand verloren. Living life in the fast laaaane!
Unser Golf GTI Performance in seinem natürlichen Habitat: dem sommerlichen Harz. 💙 Wir haben es nie bereut.
Was macht Branding? Es schafft Lager
Auch das ist Branding: der Preis ist kein vordergründiges Kriterium mehr. Längere Wartezeiten sind kein Kriterium mehr. Vermeintliche Risiken werden eher in Kauf genommen. Branding bedeutet bevorzugen. Mehr bekommen, als man bezahlt. Dieses Mehr kann ganz unterschiedlich sein. Letztlich ist ein Auto nur ein Auto. Es bringt uns von A nach B. Und warum gibt es dann so viele verschiedene Marken, die alle ihre Fans haben?
Branding ist auch Zugehörigkeit. Marken sind ein Zeichen dafür, wo wir stehen und wo und wie wir uns sehen. Es gibt Marken, die sind für mich als Ultra-Non-Konformist mittlerweile echte No-Go-Areas (Naketano, der gekordelte Ed-Hardy). Marken grenzen also auch ab. Wenn wir Marken nicht kaufen, sagen wir damit bewusst Das bin ich nicht. Da gehöre ich nicht dazu. Es gibt regelrechte Glaubenskämpfe um Marken, so wie bei Canon und Nikon.
Starke Marken haben Ambassadore — Fans, die sich für eine Marke stark machen, ohne mit der Marke in Verbindung zu stehen oder bezahlt zu werden. Weil sie einfach so von den Idealen dieser Marke begeistert sind, als wären es ihre eigenen. Die Marke ist also auch ein Sprachrohr, das eine höhere Reichweite hat, als man selbst. Perfekt zum Trittbrettfahren.
Was ist Branding? Es ist ein Prozess
Das Branding an sich ist aber ein Prozess und kein Status Quo. Branding hat man nicht. Man hat maximal eine Brand. Das, was Volvo und VW mit mir machen, ist das Resultat jahrelanger, strategischer Kommunikation und hohen Werbedrucks in sämtlichen Medien. Der Brandingprozess geht dabei vom Großen ins Kleine, er startet bei der Definition einer Vision, der daraus abgeleiteten Mission und einem starken Antrieb (oder auch Why, Purpose, Sinn). Das ist letztlich genau das, womit sich die Menschen verbinden können.
Menschen verbinden sich nicht mit Features und Fakten, sondern mit dem gemeinsamen Glauben an etwas.
Im nächsten Schritt geht es darum zu erkunden, welches Problem man meisterhaft gut lösen kann und wer am meisten davon profitiert. Man definiert also seine Marktposition und damit auch das, worin man sich von den anderen Anbietern unterscheidet. Als nächstes wird der potenzielle Kunde durchdrungen und seine Bedürfnisse und Motive verinnerlicht, um dann daraus eine verständliche und emotionale Botschaft zu formulieren.
Die Brand sichtbar machen: Brand Design
Erst ganz zum Schluss geht es im Branding darum, das Ganze in ein visuelles Erscheinungsbild zu gießen. In ein Look & Feel. In Farben, Formen, Zeichen, Logos, Symbole, Schrift, Bildwelten, Verpackungen, Layouts, Sounds, Haptik, … die Marke kann erst erlebbar gemacht werden, wenn klar ist, wie man den Kunden abholen kann. Etwas wie das Logo steht also nicht am Anfang eines Brandingprozesses, sondern eher weit hinten.
Der Volvo wär vielleicht die vernünftigere Wahl gewesen. Aber ich weiß ja nicht, wie es dir geht: ich kann mich an keinen Moment in meinem Leben erinnern, an dem mir Vernunft mal ein Hochgefühl beschert hat.
Marken können das. Weil sie mehr bieten, als das, was man kauft. Ein Hochgefühl. Anstatt also das nächste mal Features aufzuzählen, frag dich: wovon träumt mein Kunde nachts? Gib ihm das. Hart und oft. Das ist der Beginn einer wunderbaren Marke. Deiner Marke.
Als ich letztens (ausgebremste Nomadin) über ein Autoabo stolperte, fühlte es sich als wahren war für mich echt Gamechanger an. Eeeeendlich wird mal ein Produkt nach Kundenbedürfnis entwickelt, innovativ gedacht und bei gewissen Anbietern gab’s coole Kooperationen wie Fahrradabos dazu. Ich fühlte mich mehr als erhört. 😂
Ach, siehst du – die Idee ist auch einfach perfekt! Das Fahrrad als Add-on ist auch eine fantastische Idee!